Lied für meine Schwester

Komm herein meine Schwester,
häng deinen albernen Hut an die Wand,
leg das Tamburin weg,
ich füll dir dein Glas auch bis zum Rand.
Ich seh dir an, daß du jetzt schon seit vielen Tagen
nicht mehr schläfst und ißt
und daß du nicht nur tief gefallen,
sondern auch schon heftig aufgeschlagen bist.

Hast geweint wie Argentinien
und beschrieben jede Zimmerwand
deine Einrichtung vermöbelt
bis kein Ding mehr auf dem andern stand,
schließlich gemerkt, daß du jetzt wirklich nicht mehr
auf den Arm genommen wirst
und deine aufgeschlagenen Fäuste
kaum noch selber spürst.

Dann heute morgen nach der zweiten Flasche Wein
stürzten auch noch all deine Rückhaltegitter ein,
und tausend Souvenirs von Träumen, die du heute gern
niemals geträumt hättest, überfluteten dein Hirn.

All diese Bilder und die Lieder
von Mahagonny und aus Santacher,
und die Versprechungen der Liebe,
die mehr als dein beheizter Käfig wär,
hast du geglaubt und ihre Durchhalteparolen
vergiften dir noch den Verstand,
dabei hält dir jetzt niemand
von denen einfach nur die Hand.

Ja, jetzt wo du um ihre Heucheleien weißt,
da kann ich spür'n, wie's dich im Innern fast zerreißt,
doch bald merkst du schon, was wichtig und dafür zu tun ist,
daß du niemehr auf die Hände dieser Leute angewiesen bist.

Und kommt die bleiche alte Fratze
dir dabei manchmal auch entsetzlich nah,
sieh sie dir ruhig einmal genauer an,
vielleicht wird dir dann langsam klar,
daß, was wie im einzelnen genau auch immer,
aber ohnehin passiert,
jedenfalls nicht mehr schlimmer,
wenn auch immer kälter wird.

Ja, trink zum Trost mit mir noch 'ne Flasche Wein
und häng dir ruhig auch noch die Schokoladen rein
darauf, daß morgen dann ein strammer Nordseewind
deine Tränen trocknet, sieben Wochen Regen bringt.